Fragen - Antworten

Schülervorspiel im Frühjahr 2009 In diesem Menüpunkt äußere ich mich offen und unsystematisch zu Themen und Fragen, die in unseren Spiel- und Unterrichtsstunden gestellt werden oder unausgesprochen im Raume zurückbleiben. Es sind gitarristische Themen und Fragen. Ihnen gemeinsam ist, dass sie wesentlich, d.h. für uns Gitarristen von Interesse sind.
Da Gitarristen in der Regel zwar gerne, doch nicht allzu gerne viel lesen, wird jedem Thema oder jeder Frage kurz und bündig eine These, eine Kurzantwort vorangestellt. Dies dient zugleich der Orientierung für jene, die alles lesen wollen bzw. können.
Der erste Beitrag wurde als Einführung und Übersichttext verfasst, der das Nachfolgende komprimiert, als Idee enthält.

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1. Warum ich kein Lehrer, sondern Künstler bin. (Basistext)

Selbst Großmeister André Segovia, unser aller (Groß)Vater und nicht bloß Angus Young und wie sie alle heißen, hießen und heißen werden, hat sich, nach eigenen Worten, so will es der Mythos, die Legende, das Gitarrenspiel selbst beigebracht, ist sein eigener Lehrer gewesen.

Gitarristen sind Anarchisten Einen Klavierspieler, einen Saxophonisten, einen Geigenspieler - bestimmt jeden Musiker wird dergleichen unverständlich, wenn nicht gar unsinnig vorkommen. Trotzdem. Bei den Gitarristen, sag ich - immer wieder, ist alles anders. Gitarristen sind allesamt Anarchisten. Egal, ob sie in einem Fußballstadion die Massen zum Ausflippen bringen, ob sie im Club vor wenigen von Gitarrenrhythmen begleitet ihr Leid klagen oder auf dem Podium ihrem Publikum beweisen, dass die Gitarre ein Konzertinstrument ist - sie alle sind unerzieh, unbelehrbar. Das liegt am Instrument. Das liegt am Typus. Man sucht und findet sich gegenseitig. Wie gesagt: Gitarristen sind so. Ich mach mir da nichts vor. Nicht mehr.

Trotzdem. Das Gitarrenspiel ist ein Handwerk und nur Dumme ignorieren den richtungweisenden Rat vom Philosophen Nietzsche, der da sagt: Verachtet mir das Handwerk nicht.

Gitarristen sind Anarchisten Lernen, Unterricht muss sein. Selbst Kurt Cobain hatte, wie es in einer seiner Biografien heißt, zugegebenermaßen Gitarrenunterricht. 4 Wochen lang. Immerhin. Und seinen Lehrer hat er geliebt.

Zurück zum Handwerk und dessen Notwendigkeit. Einem angehenden Gitarristen zu unterrichten gleicht, wenn man all das geschrieben bzw. angedeutete bedenkt und beherzigt, kurz gesagt und auf den Punkt gebracht, der Quadratur des Kreises, d.h. ist Kunst, ist nur als Kunstwerk möglich.

Dieser Einsicht folgend, bin ich nicht Lehrer, sondern Künstler geworden. Konkret heißt das: Ich schaffe ein/das Lernumfeld, ich arrangiere, bearbeite, vereinfache (!!!), besorge, beschaffe, zumindest anfänglich das Material, die Noten (natürlich auch in Gitarristen- oder Tabulaturschrift!) - ich bin, wie die Eltern, so eine Art Bediensteter. (Merke: Ein richtiger Gitarrist lässt sich seine Gitarre tragen, lässt sich zum Gitarrenunterricht fahren etc etc.)

Gitarristen sind Anarchisten Natürlich hat dieses Verhalten einen doppelten Boden. Ist Schein, ist Zuckerguss, wie Schiller zu sagen pflegte. Ich praktiziere, gewollt-ungewollt, anarchistisch, als Künstler *sic!* das, was die Kollegen vom Fach den „offenen“ Unterricht nennen. Ich helfe, wie es beispielhaft und präzise formuliert in der Montessoriepädagogik heißt, dem Schüler: „Es selbst zu tun“, sein eigener Lehrer fürs potentiell Mögliche sein zu können, dies zu werden. Bei dem einen dauert das ein paar Wochen, bei anderen Monate oder Jahre. Das ist mein Job. Im Grunde bin ich unsichtbar. Eine Brücke, ein Vermittler. Irgendwas in der Art. So schließt sich der Kreis; auch für mich. Nichts anderes hab ich gewollt, nichts anderes kann, brauch, soll und darf(!) ich sein.

Fazit. Das Gitarrenspiel ist tatsächlich ein Handwerk, das gelernt werden will und von Gitarristen erlernt werden kann unter der Vorraussetzung, dass sie keinen Lehrer, sondern einen Künstler als Lehrer finden. Bei Gitarristen ist, wie gesagt, eben alles anders. Segovia, unser aller (Groß)Vater, meinte mal sinngemäß: Die Gitarre ist das Instrument, welches am leichtesten stümperhaft gespielt werden kann. Auch sowas verstehen nur Gitarristen. Hat er nicht Recht? Ist es beispielsweise nicht seltsam, dass gewiss 98, wenn nicht 99% aller tabs, *you know what i mean* oder Lernvideos im Netz (Internet) für Gitarristen sind? Das ist doch seltsam. Nicht wahr?

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2. Sagt ein Gitarrist, ich habe mir alles selbst beigebracht und spiele nach Tabulatur, gilt er als genial *zu Recht!!!* Sagt ein Klavierspieler das gleiche („Ich spiel nach Farben!“), hält man ihn für bescheuert *zu Unrecht!!!* - zensierte Fassung

Um es gleich zu sagen: Die Tabualtur ist keine Erfindung der Gitarristen. Unsere Vorfahren, die Lautenspieler haben gleichfalls, wen wundert’s? nach Tabulatur gespielt. Anfänglich. Später, mit Beginn der Klassik, während der Romantik sowieso, haben wir, die Nachfahren, die Gitarristen genauso wie unsere Kollegen nach Noten gelernt, gespielt und komponiert.

Gitarrist Angus Young Der Beginn der Pop und Rockära (eigentlich schon früher, schon beim Jazz und Blues) ist zugleich wieder das Ende der Notenkultur. Das ist verständlich. Man wollte keine klassische, keine alte, sondern seine eigene, Rock- und Popmusik spielen. Doch es gab keine Ausbildung, geschweige Notenmaterial dafür, weder für den interessierten Lehrer noch für die begeisterten Schüler. Alles war neu, musste neu erfunden und geschaffen werden.
Die Unterrichtenden beharrten zumeist auf ihren Volksliedern und dem Studium der alten Meister etc. von denen die Jungen immer weniger was wissen, die sie nicht mehr hören und spielen wollten. Jene, die sich der neuen Zeit, der neuen Stilrichtung, auch der neuen, anderen Art Gitarre zu spielen z.B. elektrisch verstärkt, öffneten, mussten wirklich alles (!), also die Melodie, die Akkordverbindungen usw. sich auf dem Griffbrett im wahrsten Sinne des Wortes: selbst zusammen suchen. Peter Bursch von Bröselmaschine, einer der ältesten Rockbands Deutschlands Es gab, wie gesagt, für das Gewollte keine Tabulatur, und schon gar nicht Noten.
Das war „heavy“ oder „grob“, wie man heute sagen würde. Nur wenige konnten diese Hürde nehmen, dem Lernen nach Gehör Folge leisten.

In den 80zigern kamen dann, den Göttern sei Dank! die ersten Spielbücher für Rock- und Popmusik auf den Markt. Hier in Deutschland waren es Typen wie der Peter Bursch, die dem Pop- und Rockmusik spielen wollenden Schüler eine Tür, eine konkrete Möglichkeit zum humanen Erlernen von Rock- und Popmusik geöffnet haben. Dafür hat der Peter Bursch eigentlich das Bundesverdienstkreuz verdient. Im Ernst. Heute macht sich keiner mehr lustig über die Qualität, die Größe und Bedeutung von Pop- und Rockmusik. Beides ist z.B. fester Bestandteil im Musikunterricht unserer Schule geworden. Mit anderen Worten: Wir können und müssen uns inzwischen genauso an unseren Klassikern, an Eric Clapton, Metallica und und abarbeiten, diese studieren, von denen lernen, uns inspirieren lassen, wie von Bach oder Beethoven. Doch das ist ein anderes Thema.

Einfache Tab erstellt mit einem Textprogramm Zurück zur Sache! Mit dem Aufkommen des Computers wurde wieder alles anders und wird noch mal alles anders werden (siehe Schluss). Durch diesen konnte das Lernen nach Tabulatur der Masse zugänglich, popularisiert werden, zumal das geboten Angebotene für gewöhnlich kostenfrei zu Verfügung steht. Der Nachteil und für jeden ernsthaften Pop- und Rockmusiker ein Problem, das nach Alternativen sinnt, ist die Tatsache, dass sich der Rhythmus nur unzureichend bis gar nicht in Tabulaturnotation darstellen lässt. Nun ist für die Pop- und Rockmusik der Rhythmus das, was für einen klassischen Musiker der „Ton“, der Wohlklang ist. Es ist im einen wie im anderen Falle das A und Z. Doch auch das ist wieder ein eigenes Thema.

Lautentabulatur aus dem 15. Jahrhundert Mit Computerprogrammen ist es - inzwischen kinderleicht möglich, auch den Rhythmus, bei dem jeder mit muss, adäquat, also so, genauso, wie auf der CD eingespielt, zu notieren. Eine Komposition wie „One“ von Metallica ist damit 1:1 spiel, genau so leicht oder schwer lernbar wie eine Violinsonate von J.S. Bach und buchstäblich alles, was je in Notennotation aufgeschrieben worden ist. Die Revolution bestand/besteht, so lange ist es noch nicht her, darin, dass der Computer den Rhythmus (faktisch alles!, das Werk) auch in *grins* Notenschrift umsetzt. Er macht das genauso präzise und teilnahmslos, wie er jeden Sound, egal wie krass live gespielt mit seiner Einser und Nullersprache auf CD schreibt und damit scheinbar unendlich oft wiederholbar macht. Dass er das kann, finden die meisten als normal, wenige macht’s zum Philosophen.

Zurück zur Sache. Die Situation heute (2009) ist die, dass zumindest die fortgeschrittenen, im Hier und Jetzt lebenden Gitarristen oder wir, in unserer Schule ähnlich arbeiten, arbeiten können, wie die Klavierspieler. Diese lesen auch simultan, zweisprachig in zwei Systemen, im Bass- und Violinschlüssel. Gleichzeitig. Uns sagt die Tabulatur das Was, und die Notenschrift darüber, das Wie, in welchem Rhythmus das Stück zu spielen ist. Das will gelernt sein. Das auch. Vor allem bedarf es der Übung und am besten: bedarf es Unterricht, damit man nicht vorzeitig, bevor man dergleichen kann, die Früchte genießen kann, aufgibt. Merke: Unterricht ist mehr und (noch) anderes als entziffern von Noten bzw. Tabulaturen oder beidem.

Moderne Tabnotation Nochmal kurz, wenn auch nicht abschließend zur Sache. Mit dem Computer ist heutzutage beides möglich. Er übersetzt die Pop- und Rockmusik ebenso in Noten, wie in Tabulaturschrift. Die Tabulatur benötigt sinniger Weise noch immer und zumeist als Ergänzung die Notennotation, da diese auch den vollständigen Rhythmus, das Alpha und Omega der Pop- und Rockmusik zum Ausdruck bringen kann. Umgekehrt benötigt, da beißt die Maus keinen Faden ab, das in Notenschrift fixierte keine zusätzlichen Hilfen. Der Notencode kann alles; kann Melodie, Harmonie und Rhythmus darstellen. Die Notenschrift ist also das System, womit sich die Pop- und Rockmusik so gesehen, bedacht, durchdacht am besten, genauso wie die klassische Musik aufschreiben und lernen lässt. Hier schließt sich wieder der Kreis. Wir befinden uns, wie unsere Vorfahren aus dem Barock in einer Übergangszeit des sowohl als auch. Vor uns liegt wie ehemals die klassische, die goldene Zeit, in der -Dank Notenschrift- auch die schwersten, geilsten, komplexesten Werke unserer Meister und Gurus lern und spielbar werden - nicht auf brachiale, barbarische, sondern menschenwürdige Art und Weise. Durch professionellen, will meinen: didaktisch-methodischen d.h. auch mit Notenblick *grins* erteilten Unterricht. Durch Unterricht in unserer Musikschule, unserem Musentempel.

:-)


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3. Am besten unterrichte ich, wenn ich dabei 2,3 Gläser Prosecco trinke

An den nötigen Flaschen soll es nicht fehlen. Zu meinem Geburtstag beispielsweise hat mir meine Cousine einen ganzen Karton mit Dornfelder Secco Rosé geschenkt. Ein kleiner Vorrat. Ein Anfang.

Trotzdem. Ich hab noch nie im oder während dem Unterricht Alkohol getrunken. Wahrscheinlich ein Fehler. Oder? Wie dem auch sei: Es wär das Ende. Das Ende von Unterricht.
Ich trinke gerne...
So tiefsinnig darf man/ich das Ganze nicht denken. Ich wäre überflüssig.
So gewendet, stimmt die Richtung. Dann schließt sich der Kreis. Meine Schüler - allesamt Gitarristen, bringen, ich wiederhole: sich am liebsten „alles“ selbst bei, und ich schau, besser: hör zu. C’est ça, wie die Franzosen sagen. Ein Ideal, unser Zielzustand. Leider muss ich immer wieder „unterrichtend“ ins Vorspiel eingreifen. Korrigieren.

Leider, sag, schreib ich. Leider, das denken, fühlen auch meine Gitarristen.
Doch wir arbeiten dran. Auf beiden Seiten. Ich am Nichts-tun, überflüssig werden und vis à vis am: Lass mich, ich schaff das selber!

Hin und wieder trinke ich während des Unterrichtes ein Tässchen Kaffee. Bei dem ein oder anderen Schüler kann und darf ich bereits dergleichen wagen. Kaffee mag ich auch.

So oder so: Vor uns liegen goldene, die goldene Zeit! Ich liebe das Nichts-tun, die Muße.

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4. Talent - oder was die Kunst im Innersten zusammenhält     

Kaum zeigt sich unsereins begeistert, lobt Spiel und Können, kommt die Rede auf’s Talent und dann heißt’s, das hat er/sie von der Mama, dem Papa, Onkel oder Tante.

Oftmals ist es jedoch auch so, dass keine Klarheit darüber herrscht, von woher Talent oder Begabung stammen. „Also von mir“, so der Standardspruch, „kann er/sie es nicht haben. Ich bin total unmusikalisch“.

Zumeist sind es die Mütter, die mir solches sagen. Dies ist insofern problematisch, da in eins damit, wenn nicht Misstrauen in die getätigte Einschätzung, dann doch und zumindest Unsicherheit gesät wird.

Muss das sein? Ich finde nicht. Irreführend, um es kurz zu sagen, ist weniger der Begriff Begabung, als das, was unterschwellig-unausgesprochen mitschwingt. Man tut so, als gäbe es ein Gen für Musikalität. Stimmt das? Kaum ist ein Kind geboren, beginnen unsere Zuordnungen: Die Nase hat er von x, das Mündchen von y, die Augen sind ganz jene der Mutter und und und. Das kann alles stimmen. Das kann alles tatsächlich angeboren sein.

Ist Musikalität, musikalisches Talent, musikalische Begabung angeboren? Ist es oder sie vererbbar wie die blauen oder doch: schwarzbraunen Augen? Ich denke, dass das nicht der Fall ist. Die Natur interessiert sich nicht für Kunst, Religion oder Wissenschaft. Wer hier „großes“ leistet oder vollbringt, besser: an einem, an zweien oder allen dreien partizipiert, hat es woanders her *believe it*.

Spannend und erwähnenswert ist die Einschätzung von Goethe. Für ihn besteht Kunst, das, was sie im Innersten zusammenhält, aus zwei Komponenten, nämlich Inspiration und Handwerk.

Nun verbirgt sich im Worte „Begabung“ ja auch der Hinweis „Gabe“. Trotzdem finde ich Inspiration besser. Inspiration ist etwas, das, ganz allgemein gesagt, von außen kommt. Etwas, das auf uns einwirkt und verändert. Vielleicht ist’s „nur“ so eine Art „Augen-blick(s)-geschichte, doch bestimmt etwas, das jenseits von „Blut“ und „Gencode“ spielt.
Diese Einschätzung gilt zumindest solange wie wir den Begriff „Inspiration“ beim Worte nehmen, uns am Wort orientieren, vom Wortsinn ausgehen.

Hinzuweisen ist fairerweise noch auf die von Goethe vollzogenene Gewichtung von Handwerk und Inspiration. Der Philosoph Nietzsche behauptet zwar oder warnt: „Dichter lügen viel“, gleichwohl, soll die dichterische Einschätzung nicht verschwiegen werden. „In der Kunst“, so der alte Goethe zu seinem Schüler Eckermann, „sind 2% Inspiration und 98% Transpiration“.

Das ist leicht, flüssig - mühelos formuliert. Ob’s auch stimmt?

Wir achten das handwerkliche Können der Meister z.B. wenn ihre Finger rasend schnell über die Tasten fegen, wenn’s 4-5 oder gar 6stimmig aus dem Resonanzkörper eines Konzertflügels tönt. Und doch. Und doch ist es so, erleben wir es immer wieder, dass eine/einer „ganz normal“ daherkommt, ganz normal aussieht oder gebaut ist und womöglich noch auf einem völlig vergessenen oder unscheinbarem Instrument z.B. einer Blockflöte, Mundharmonika etc,- dass einer/eine hierauf nur eine einfach-bekannt-unbekannte Melodie spielt und trotzdem etwas schafft, das uns bewegt, rührt. Innerlich bewegt. Innerlich berührt. Solche Menschen lieben wir. Das von ihnen Realisierte nennen wir Kunst. Das ist Kunst. Sowas zu können, zu schaffen, zu bewirken. Für die Arbeit, die sich hinter der Mühelosigkeit des Vortrages, der Sinnhaftigkeit des Ganzen und seiner emotionalen Wirkung verbirgt, für die technische Seite, interessieren wir uns nicht. Davon wollen und brauchen wir nichts zu wissen. Denn das alles ist, -wir schwärmen, wir träumen, wir glauben’s am Ende selbst: Das ist alles Begabung. Talent. Angeboren. Ein Geschenk. Von der Mama, dem Papa etc. etc.

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5 Thesen zur Kunst      

1. Kunst wird so wenig vererbt wie Religion

2. Kunst kann weder gelernt noch gelehrt werden

3. Gelehrt und gelernt werden kann das Handwerk

4. Jeder Künstler ist ein Handwerker, doch nicht jeder Handwerker ein Künstler

5. Kunst ist nutzlos, vom Handwerk lässt sich gut und schön leben

 
6. Ich hab mir das Gitarrenspiel selbst beigebracht.
Trotzdem. Irgendwie „funzt“ es nicht, bin ich unzufrieden. Was meinen Sie?      

Nun, ich bin nicht der Dr. Sommer von der BRAVO oder sonst eine Kummerbeantworttante und schon gar nicht der liebe Gott, der bekanntlich alles weiß.Hier oder mir geht es um die Sache, darum, dass ich im Gespräch mit solchen „Patienten“ immer wieder feststelle, Ich kann alles *grins* dass sie unsere altehrwürdige, noch nicht heiliggesprochene Unterscheidung von „Bildung“ und „Ausbildung“ nicht auseinander halten, sondern beides solange„verrührt-verkocht“ haben, bis ihnen der Brei nicht mehr schmeckt; nicht mehr recht munden will. Ausbildung, kurz gesagt, delegiert man am besten an einen Lehrer und Bildung ist etwas, das ich am besten selbst bestimme. Also: Das Lesen lerne ich am besten in der Schule und das, was ich lese, bestimme am besten ich selbst.

Voll die Röhre! Bei der Gitarre, ich sag’s und schreib’s immer wieder, ist nichts leicht. Für einen, der Gitarre spielen kann, ist es ein Leichtes von D-Dur nach G-Dur hin und wieder zurück zu wechseln. 4 Takte D, dann 4 Takte G und zurück nach D. Das ist nicht schwer. Echt nicht. Es ist nicht schwer für den, der’s kann. Für die anderen ist es eine Tortur, wie wir hier in der Pfalz salopp sagen; vor allem für jene, die musikalisch bzw. begabt sind und hören, wie das Dargebotene klingt, die hören, dass das zu Wege Gebrachte Schrott ist. Es sind gerade die späteren Könner, die so urteilen, urteilen müssen. Was die Alternativen dazu anbelangt, könnte man/ich einen Roman schreiben. Kurzum: Das Handwerk, um es noch mal zu sagen, lernt man am besten bei einem, der es versteht, der versteht, es „rüberzubringen“ *…* Das ist der Königsweg.

Anders verhält es sich mit dem Spielmaterial. Es ist klar, wenn ich ein Gedicht von Goethe lese, bilde ich mich anders, geschieht anderes mit mir, geschieht anderes in meinem Gehirn, als wenn ich die Spielanleitung XY studiere. Gleichwohl, ich schreib das mit auf, um möglichen Missverständnissen vorzubeugen, bin ich kein Freund des „Bildungskanons“, dem Lese, oder Gitarrenspielbuch. Zum einen deshalb, da es keinen Konsens gibt, was dazugehört und was nicht; und vor allem, weil die Einschätzung von dem, was bildungswürdig erscheint, sich ändert. Man denke an den Jazz oder Blues, der früher als „Negermusik“ abgetan wurde oder an die Tatsache, dass die 13/14 Jährigen von heute darunter leiden, im Musikunterricht Referate zu den Beatles oder Stones, die jeder kennt und keiner hört, verfassen zu müssen und dies nur deshalb, da der Musiklehrer ein altgebliebener 68ziger, ein Ex-hippie ist.

Zur Sache! Ich finde, die Mischung macht’s. Zu dieser gehört ein Lehrbuch, das den aktuellen, aktuell gebliebenen didaktischen Einsichten folgt, ein Lehrer, den man liebt, der liebens-würdig ist, der Kaffee trinkt, die Instrumente stimmt, das Mikrofon aufbaut usw. usw. , der, mit anderen Worten: sich raushält, weiterhin Spielsachen, die sich der Spieler selbst aussucht und last not least unsere Klassiker *lach-grins*, unser heißgeliebtes, ewig jung gebliebenes „Nothing else matters“ oder „Wish you where here“, unser „Tears in heaven“ und „Stairway to heaven“, das „Knocking on heavens door“ etc. etc. Werke, an denen wir *sic!* uns immer wieder, immer wieder neu, auf anderer Spielstufe abarbeiten. Bis wir können, was wir wollen und, wenn’s wirklich „funzen“ soll: wollen, was wir können.

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7. "Wenn ich drin bin, ist es alles ganz einfach…"     

Diesen Spruch hör ich öfters, nicht öfter als: „Zuhause, Herr Ungeheuer, hab ich, haben wir’s noch gekonnt. Sie hätten es hören sollen.“ Was soll ich darauf antworten? Nun, ich glaub’s. Beides. Tatsächlich.

Wahnsinn! Andererseits. Was hilft’s? Ich mein, jetzt, soll es, wollen wir, dass es „läuft“, dass wir drinnen, im Fluß, im Flow sind. Was gar nicht geht, aber immer wieder „gemacht“ wird, ist der Versuch, bewusst, willentlich oder so „reinzukommen“, was nicht gelingt, nicht gelingen kann, denn das Ganze verwandelt sich nun augenblicklich zu einer bildlich gesagt: Festung, die uneinnehmbar ist, weil mit jedem Versuch, jedem Ansturm und jeder Attacke die Mauern dicker werden, anstatt zu brechen. Am Ende, nicht wahr? geht dann gar nichts mehr.

Inzwischen hab ich den Raum verlassen und koch mir eine Tasse Kaffee, später ist es eine heiße Schokolade, noch später eine Tasse Tee, am Ende (wie unterrichten bis 21:00 Uhr) hol ich mir gar eine Flasche Bier, manchmal genehmige ich mir auch ein Fläschchen Prosecco oder anderes. Das meiste bekomm ich geschenkt. Von meinen Schülern, die, während ich mir aus der Küche dies oder das, je nach Uhrzeit besorge, die derweil verzweifeln. Besonders schlimm trifft’s immer die Jugendlichen, die wahnsinnig werden. Das ist interessant zu beobachten. Die sind, wenn ich wiederkomm, gar nicht mehr ansprechbar. Damit kein Missverständnis aufkommt: Dergleichen genieß ich nicht. Ich beobacht es nur und registrier’ zweitens die Unmöglichkeit dagegen, dieses „Anrennen gegen die Festung“, was zu unternehmen. Diesen scheinbaren Lernprozess zu beenden. Denn es ist klar: In diesem Modus lernen wir verkehrt herum oder zumindest: vergeblich.

Das sagt die Vernunft. Die Einsicht. Am besten wär, aufzuhören, unser Lehrbuch aufzuschlagen, dort, auf der Seite, die in unserem Hausaufgabenheft angegeben ist. Was steht da? Dies beachten, dies beachten und jenes beachten und: 3 höchstens 5 Durchgänge.

Ok, das war’s. Das ist meine Antwort.

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8. "Herr Ungeheuer, sind Sie ein Engel?"     

Nein. Aber ich liebe Engl und Teufel. Beide. Die Lautsprecher von Teufel z.B. haben ihre eigene Soundkarte und darum klingt das meiste von Youtube so klar und deutlich wie von der CD. Einen Röhrenamp (Verstärker für E-Gitarre) von Engl hört man, ich, du dann und nur dann, wenn auf der Gitarre gespielt wird, ansonsten herrscht himmlischer Friede; auch im Gainmodus, also wenn’s verrauscht, übersteuert klingen soll.

In der Regel (ich beschränke mich im Folgenden auf die Wahl des passenden Verstärkers) orientieren wir uns „am Namen“ bzw. schon etwas fortgeschrittener an Marken, die von bekannten Bands gespielt werden – oder halt doch: am Geschmack unseres Patenonkels.
Ruck-zuck entscheiden wir uns so für ein MARSHALL, FENDER, FOX oder sonstiges Qualitätsgerät. Ich mein, verkehrt ist das sicher nicht, vor allem, wenn man sich nicht auskennt.

Trotzdem. Meine Lieben. Es lohnt sich auch mal Neues auszuprobieren, sich beispielsweise auf einen Engl oder Teufel einzulassen, jenen zuzuhören, diesem, oder doch besser: beiden letztlich zu vertrauen. Beide sind top, geben das von uns, von anderen Geschaffene göttlich wieder. Believe it.

OK. Nächster Schritt. Es gibt viele Engl und Teufel. Sie haben verschiedene Namen, nennen sich z.B. „Blackheart Killer“, „Hayden“(Josef), oder gar: „Jet City 333“ (nicht: 666!) etc. etc.

Ich weiß. Ich sag’s darum nochmal: Wir orientieren uns zunächst an altem, was sich bewährt hat, was gut ist. Und: Altes muss nicht, bloß, weil es alt ist, auch schlecht, altmodisch oder überholt sein - wie beispielsweise: Bier. Das wird noch immer so hergestellt wie vor 100 und mehr Jahren und schmeckt trotzdem so, dass niemand es wirklich anders will. In anderen Fällen ändert sich der Geschmack oder die Verhältnisse sind anders. Das hört sich kompliziert an, ist aber so. Ein Röhrenamp (siehe oben) in einem Mietshaus oder in Nähe berufstätiger Eltern muss anders gebaut sein, wie die bekannten von der Bühne, vor allem dann, wenn das „feeling“ gleichbleiben, sich gleichen soll. So, nachdem das klar, geklärt ist, was alles Krach macht oder Krach machen kann, können wir endlich, Gott, den Göttern sei Dank: „Shoppen“ gehen, werden wir, mit Engls-, und oder Teufelshilfe finden, was wir brauchen, was passt.

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